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Wie ich zur Naturheilkunde kam


Wie alles anfing
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“Dieser Artikel ist hervorragend. Ich habe den Eindruck, dass Andrew Saul seine Lebensgeschichte eines Tages in Buchform herausbringen muss, wenn nicht jetzt gleich.”

Dr. med. Abram Hoffer

 

Entweder waren es die Impfungen oder das Blut

So lange ich mich erinnern kann, bedeutete ein Besuch beim Arzt für mich eine Spritze in den Hintern. Als ich im Kindergartenalter war, hatten wir einen richtig alten Hausarzt. Er war schon seit über dreißig Jahren Praktischer Arzt gewesen, bevor ich zu ihm kam. Sobald ich lesen konnte, sah ich, dass sein Doktortitel aus den 1920er Jahren stammte. Seine Methoden waren nicht besonders verfeinert. Er blickte mich mit einem Ausdruck an, den er für ein Lächeln hielt, dann mussten meine Eltern mich mit Gewalt bäuchlings auf seine abgewetzte, mit Papier bedeckte, lederbezogene Untersuchungsliege bugsieren, und er jagte mir die Spritze in den Hintern. Viel nachdenken konnte ich in dem Alter wohl noch nicht, aber offenbar haben mich diese Nadeln damals sehr beeindruckt. Irgendwo in meinem Hinterkopf schien es mir, als ob Medizin aus mehr bestehen müsse als glitzernden Instrumenten und Schmerzen.

In der Oberschule sah ich manchmal aus wie jemand, der Arzt werden würde, und manchmal benahm ich mich auch so. Angesichts der Brille, der schlanken Statur, der guten Noten und dem mehrfachen Überspringen einer Klasse hätte es auch tatsächlich so kommen können. Ich war der Typ Junge, der im Biologieunterricht einfach alles aufschneiden konnte und der am Wochenende daheim Kröten, Ochsenaugen und Schweineföten sezierte. Mein Zimmer verwandelte ich in ein Chemielabor. An der Schule richtete ich eine Arbeitsgemeinschaft für junge Forscher ein und besuchte Veranstaltungen für künftige Ärzte. Einmal sahen wir uns bei einem Treffen der örtlichen ärztlichen Gesellschaft einen Film über Operationen an. Als ich den ersten 30 cm langen Schnitt sah, wusste ich, dass ich damit Probleme haben würde. Im kleinen Rahmen fragte ich so nebenbei, ob schon mal jemand Arzt geworden sei, der kein Blut sehen konnte. Ein Arzt antwortete mit einem höflichen Lächeln, dass das wohl ziemlich selten vorkomme. 

Während meines zweiten oder dritten Jahres auf dem College richtete ich es so ein, dass ich an verschiedenenen Krankenhäusern bei Operationen zusehen durfte. Mir erschien das ein gutes Mittel, um meine Abneigung gegen das Aufschneiden lebender Menschen zu überwinden. Ich musste über zwei Stunden mit dem Bus fahren, um zu meiner ersten Operation im damals noch sehr kleinen Krankenhaus von Dansville im Staat New York zu gelangen. Als die Patientin in den Operationssaaal gerollt wurde, war ich die erste Person in einem Kittel, die keine Krankenschwester war. Die Patientin hätte meine Großmutter sein können und war hier wegen eine Biopsie der Brust. Als sie sich zu mir wandte, konnte ihr nicht entgangen sein, dass ich so weiß war wie meine Mundschutzmaske. Vielleicht hat sie auch den kalten Schweiß auf meiner Stirn wahrgenommen.  

    Leise sagte sie: "Sie sind doch wohl nicht der Arzt?" 

    "Nein", antwortete ich. 

    "Dann ist es ja gut!" sagte sie und schloss lächelnd die Augen. 

    Ich hatte gleich beim ersten Mal Trost gespendet. 

Als sie das Narkosemittel bekam, sollte sie von hundert an rückwärts zählen. Sie kam nicht einmal bis 99. Ich hielt beim ersten Schnitt stand und sah, dass Fett orangefarben war. Der Knoten stellte sich als gutartig heraus. Hinterher bekam ich im Aufenthaltsraum der Ärzte von buchstäblich jedem einen Kaffee angeboten. Es war vielleicht Höflichkeit, aber ich vermute, es hatte sich herumgesprochen und sie meinten, dass ich das Koffein brauchte.  

Nun wusste ich, dass ich einen Schnitt von 3 cm Länge aushalten konnte. Von da an schaute ich bei umfangreicheren Operationen in größeren Krankenhäusern zu. An eine erinnere ich mich besonders. Einer älteren Dame sollten die Nebennieren entfernt werden. Ich hatte den Auftrag, ihr beim Ertragen ihrer starken Arthroseschmerzen beizustehen. Mittlerweile hatte ich oft genug gesehen, wie ein Bauch aufgeschnitten wird, doch hier beobachtete ich mit gut unterdrückter Überraschung, wie das Operationsteam sie auf den Bauch legte und großzügig Schnitte auf der Höhe der untersten Rippe machte. Dann begriff ich, dass dies natürlich der kürzeste Weg zu den Nieren war, auf denen die Nebennieren sitzen. Jede Niere ist schützend von Rippen umgeben. Ich wartete  darauf, dass als nächtes ein Rippenspreizer eingesetzt werden würde. Statt dessen zückte der leitende Chirurg die größte Blechschere, die ich je gesehen hatte. Mit Blechschere meine ich die großen Metallscheren, mit denen man dicke Autos aufschneidet. 

    Oh, nein, er wird doch wohl nicht ... 

    "KNACK!" 

    Ja, das hat er tatsächlich getan. 

"KNACK!"  Das war das richtig laute Geräusch von durchtrennten menschlichen Rippen. Bei jedem Schnitt ging ein Stoß durch den Körper der Dame. Na gut, dachte ich mir, sie werden sie wohl hinterher wieder zurücktun. Das machten sie aber nicht. Die Rippen wurden entfernt, ganz lässig in eine Schale gelegt und fertig. Danach ließen sich die Nebennieren leicht entfernen. 

Vielleicht denken Sie jetzt, dass ich von jenem Augenblick an leidenschaftlich nach einem schmerzfreien naturheilkundlichen Weg zur Heilung von Arthrose suchte. So war es aber nicht. Jetzt konnte ich die Schnitte und das Blut besser ertragen und wollte Arzt werden.

Erst Professor John I. Mosher von der State University of New York College in Brockport forderte mich auf, einmal darüber nachzudenken, was es heißt "ein Arzt zu sein". Ging es um den Doktortitel und den weißen Kittel oder darum, den Menschen wirklich zu helfen, gesund zu werden? Da war allerdings etwas dran, doch ich ignorierte es weitgehend. Schließlich war ich immer davon ausgegangen, dass man Arzt sein musste, um zu heilen. Waren Heilpraktiker, Augenoptiker, Physiotherapeuten und all die anderen heilenden Berufe nicht lediglich Hilfspersonal? Ich wollte ganz oben auf der medizinischen Leiter stehen! 

Dr. Mosher sagte mir, ich solle ein Buch des britischen Arztes Aubrey T. Westlake lesen, betitelt The Pattern of Health (auf deutsch 1963 unter dem Titel Medizinische Neuorientierung erschienen). Das änderte alles. Dr. Westlake schrieb über seine langjährige Erfahrung als Praktischer Arzt. Er sagte, dass er in seiner ärztlichen Tätigkeit hauptsächlich damit beschäftigt gewesen sei, "Wasser aus leckgeschlagenen Booten zu schöpfen". Mit wachsender Faszination folgte ich seiner Erzählung und seiner Suche nach echter Heilung. Das brachte ihn schließlich SEHR weit vom Weg der konventionellen Medizin ab. Kräuterkunde, Homöopathie, Naturheilkunde - alle diese Ansätze waren völlig neu für mich. Und doch sah Dr. Westlake, ein voll ausgebildeter Arzt, in diesen unorthodoxen Behandlungsmethoden einen Wert. Das konnte ich nicht einfach so abtun. Der Mann kam mir ganz und gar nicht wie ein kompletter Idiot vor.

Mir begann zu dämmern, dass an diesen natürlichen Heilverfahren doch etwas dran sein musste.  

Natürlich war das erst der Anfang. Das richtig Subversive am Bücherlesen ist doch, dass jedes gute Buch zu vielen weiteren führt. So war das auch bei mir. Wenn es noch keine schwarze Liste oder einen "Index" aller ketzerischen medizinischen Bücher gab, dann habe ich während meiner Studienjahre so etwas ähnliches zusammengestellt. Ich las Die Nemesis der Medizin: Die Kritik der Medikalisierung des Lebens von Ivan Illich, Who is Your Doctor and Why von Dr. med. Alonzo J. Shadman sowie Dutzende von Forschungsaufsätzen, die von der damaligen Lee Foundation for Nutritional Research neu aufgelegt worden waren. Die Werke von Dr. Linus Pauling, Dr. Abram Hoffer, Dr. Wilfred Shute and Dr. Evan Shute, Dr. Paavo Airola, Dr. Ewan Cameron, Dr. Richard Passwater, Dr. Robert Mendelssohn, Dr. Roger J. Williams, Dr. Edward Bach und vielen weiteren geachteten Wissenschaftlern überzeugten mich schließlich, dass Naturheilverfahren nicht nur halfen, sondern im allgemeinen der gängigen Medizin mit ihren Medikamenten und Operationen überlegen waren.

In meiner ersten Studienphase war ich ein Jahr an der Australian National University. Dort rechnete ich gemeinsam mit einem Freund aus, dass man rund 7000 Apfelsinen am Tag essen müßte, um so viel Vitamin C zu erhalten, wie Dr. Linus Pauling es empfahl. Das erschien mir sehr viel, doch bald begann ich, täglich selbst etwas Vitamin C einzunehmen. Nach meinem ersten Studienabschluss fing ich an, mich vegetarisch zu ernähren. Um ehrlich zu sein, tat ich das hauptsächlich, um weniger Abwasch zu haben. Mir schien auch, dass vegetarische Gerichte preiswerter und schneller zubereitet waren. Ich hatte keine fettigen Pfannen und Töpfe, und nebenbei ging es mir auch allmählich besser.  

Um diese Zeit herum versuchte ich es mit Fasten. Natürlich nicht bei mir selbst, sondern bei meinem Hund. Der Hund hatte gerade starkes Fieber und lag Tag und Nacht zusammengerollt in einer Ecke des Wohnzimmers. Ich fragte den Tierarzt um Rat, doch der sagte, es sei nicht schlimm, den Hund sich selbst zu überlassen, und so tat ich das. Drei Tage lang blieb er zusammengerollt in seiner Ecke liegen. Er stand nur auf, um Wasser zu trinken oder draußen sein Gerschäft zu verrichten. Während dieser drei Tage aß der Hund nichts. Er schlief und ich beobachtete ihn. Am vierten Tag stand der Hund auf und war wieder ganz der alte. Das Fieber war weg und es sah aus, als sei nie etwas gewesen.

Das brachte mich zum Nachdenken.  

Kurze Zeit danach wurde ich selbst krank. Richtig krank. Krank genug, dass die Nachbarn vorbeikamen, um nach mir zu sehen. Ich begann zu fasten und kopierte praktisch das Verhalten meines Hundes, nur dass ich nicht in der Ecke schlief. (Ich bin auch nicht hinausgegangen, um mein Geschäft zu verrichten.) Zu meiner Überraschung ging es mir gut ohne Essen. Alles was ich wollte, war etwas zu trinken und Schlaf. Die Krankheit war schnell vorbei, ganz ohne Medikamente. Das war ein erfreuliches Ergebnis, doch WIE ich wieder gesund geworden war, das faszinierte mich besonders. Es mag sich komisch anhören, aber während ich fastete, ging es mir besser als jemals zuvor bei einer Krankheit. Ganz sicher war ich richtig krank gewesen, doch diese einfache Heilmaßnahme hatte völlig ausgereicht. Hmm. 

Ich setzte meine fortgeschrittenen Studien der Naturheilkunde zwanglos fort und las immer mehr Bücher über Naturheilverfahren aus der Feder von erfahrenen Ärzten. Diese Ärzte behandelten sehr schwere Krankheiten mit Fasten, Diäten, Kräutern, Homöopathie, Mineralstoffen und Vitaminen. Und schließlich begann ich, jeden Tag eine Tablette mit vielen natürlichen Vitaminen zu nehmen. Ich lebte weiter allein, arbeitete und vertiefte meine Bildung.

Mit dem Lesen saugt man viele Fakten in sich auf, aber erst wenn man Kinder hat, wird das Wissen wirklich auf die Probe gestellt. Auf der einen Seite die Prüfungen und Examensarbeiten, auf der anderen die Babies. Wer eine Familie großzieht, hat jede Menge Gelegenheit zu erkunden, ob eine Idee etwas taugt. Ehe und Kinder zeigten mir, dass natürliches Heilen funktioniert. Es ist einfach, sicher, preiswert und wirkungsvoll. Uns allen ist natürlich beigebracht worden, dass etwas, was einfach, billig und ungefährlich ist, auf keinen Fall etwas taugen kann. 

So habe ich auch gedacht. Seit den ersten Spritzen in den Hintern. 

Es stellt sich heraus, dass natürliche Therapien genauso gut oder besser sind als allopathische (auf Medikamente gegründete) Medizin. Meine eigenen Erfahrungen mit Lungenentzündung zeigten, dass Erythromycin damit nicht so schnell fertig wird wie hoch dosiertes Vitamin C. Einmal hatte mein Vater eine Angina und unregelmäßigen Herzschlag. Alle seine Symptome verschwanden, als er jeden Tag eine große Menge Vitamin E einnahm. Er stellte fest, dass das Vitamin besser half als die verschriebenen Medikamente, und es hatte zudem keine Nebenwirkungen. (Seine ganze Geschichte kann man [auf Englisch] nachlesen unter http://www.doctoryourself.com/angina.html .)

Außerhalb der Familie habe ich beobachten können, wie "hoffnungslose" Fälle sich durch den Einsatz von Naturheilverfahren zum Guten wandten: drohende Erblindung wurde abgewendet, Multiple Sklerose besserte sich, Geisteskrankheit verschwand, Hüften wurden ohne Operation wieder hergestellt, bösartige Tumoren gingen zurück, das Immunsystem erstarkte wieder, schwere Arthrose wurde geheilt, all diese und viele weitere; alle ohne Medikamente geheilt.

Wenn man das wieder und wieder geschehen sieht, beginnt man zu begreifen: das sind WIRKLICH einfache, sichere, preiswerte und wirksame Behandlungsmethoden. Und sie funktionieren bei ECHTEN Krankheiten. 

Muss Heilen weh tun und teuer sein? Sind Blut und Medikamente Vorbedingungen für Heilung? Ist das Krankenhaus wirklich der beste Ort für die Gesundung? Haben Ärzte den Markt für Heilwissen gepachtet? Ist Heilen mit der Natur nur ein blödes Geschwätz?

Glauben Sie es nicht. Probieren Sie es selbst aus. Gehen Sie in die Bücherei und lesen Sie solche Bücher. Stellen Sie ihre Ernährung um. Versuchen Sie es mit einer natürlichen Alternative, wenn Sie wieder einmal krank sind. Finden Sie es selbst heraus. So habe ich es getan, und es hat funktioniert.

So kam ich zur Naturheilkunde. 

Copyright  2007 und zuvor Andrew W. Saul. 

Deutsch von Helmut Lasarcyk 2014

Andrew Saul ist der Verfasser der Bücher FIRE YOUR DOCTOR! How to be Independently Healthy (Rezensionen unter http://www.doctoryourself.com/review.html ) und DOCTOR YOURSELF: Natural Healing that Works. (Rezensionen unter http://www.doctoryourself.com/saulbooks.html )

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Andrew W. Saul

 


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